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Luchs aus dem Tiergarten im Thüringer Wald ausgewildert
Tiergarten Nürnberg/ Tom Burger

Ein Nürnberger Luchs streift seit heute, Dienstag, 27. August 2024, durch den Thüringer Wald. Im Zuge des Artenschutzprojekts „Luchs Thüringen – Europas Luchse vernetzen“ sind heute zwei Luchse ausgewildert worden, einer davon kam letztes Jahr im Tiergarten der Stadt Nürnberg zur Welt. Damit ist er in diesem Jahr bereits der zweite Luchs aus dem Tiergarten, der ausgewildert wurde.

Der junge Nürnberger Luchs hat vor der Auswilderung den Namen Kilian bekommen. Gemeinsam mit Weibchen Vreni aus dem Schweizer Tierpark Langenberg, die ebenfalls heute ausgewildert wurde, folgt er nun zwei Luchsen, die bereits seit Mai 2024 in dieser Region leben. Im südlichen Thüringer Wald wurde zudem kürzlich eine Luchsin mit Jungtieren von einer Wildkamera aufgenommen.

Thüringens Umweltminister Bernhard Stengele sagt: „Ich bin froh über jeden Fortschritt dieses wegweisenden europäischen Projekts – sowohl über die weitere Auswilderung als auch über den ersten Luchsnachwuchs im Thüringer Wald. Unserem gemeinsamen Ziel einer gut vernetzten Luchspopulation in Deutschland und Mitteleuropa kommen wir Schritt für Schritt näher mit einer stabilen Luchspopulation im Thüringer Wald.“

Luchsmännchen Kilian ist im Mai letzten Jahres im Tiergarten Nürnberg geboren. Mutter Desari hat ihn und seine beiden Geschwistern von Beginn an gut versorgt. Nach etwa einem Jahr waren die drei Luchsmännchen, auch Kuder genannt, dann bereit für den Umzug. Ein Jungtier ging an den Zoo Veszprém nach Ungarn, ein weiteres zog in den Nationalpark Harz und wurde vor kurzem im Westerzgebirge ausgewildert. Der jetzt ausgewilderte Kuder Kilian kam im April in Hütscheroda an. Dort bezog er gemeinsam mit Luchsin Vreni zunächst ein eigens für die Auswilderung von Luchsen errichtetes sogenanntes Koordinationsgehege.

Beitrag zum Arterhalt und zur Wiederansiedlung
Jörg Beckmann, Biologischer Leiter und stellvertretender Direktor des Tiergartens, war bei der heutigen Auswilderungsaktion vor Ort. „Der Moment, in dem ein Tier nach monate-, manchmal jahrelanger Vorbereitung ausgewildert wird, gehört zu den absoluten Höhepunkten unserer Artenschutzarbeit. Dass wir nach mehr als 30 Jahren letztes Jahr
wieder Luchsjungtiere hatten, ist ein großer Erfolg für den Tiergarten. Und dass wir mit dem Nachwuchs nun einen Beitrag zum Erhalt der größten Katzenart Europas und zu ihrer Wiederansiedlung in der Natur leisten können, freut uns umso mehr. Denn Artenschutz ist eine der wichtigsten Aufgaben moderner Zoos. Diese Auswilderung zeigt, welche wichtige Rolle hier Zoos und Wildparks spielen, denn beide Luchse wurden in Gehegen extra für die Auswilderung gezüchtet“.

Naturnahes Gehege bietet ideale Voraussetzungen für Auswilderung
Kilians Eltern, Desari und Yuri, stammen aus dem EAZA Ex-situ Programm (EEP) für Karpatenluchse (Lynx lynx carpathicus). Sie wurden vor der Zucht genetisch auf ihren Unterartenstatus getestet, damit nur geeignete Luchse ausgewildert werden. Ihr Nachwuchs wuchs in Nürnberg in einem großen naturnahen Gehege auf, das mit finanzieller Unterstützung des Vereins der Tiergartenfreunde Nürnberg e. V., mehrerer Tierpaten und durch eine Spende der Nürnberger Heinrich Gröschel-Stiftung 2014 neu angelegt wurde. Die Anlage umfasst eine Fläche von rund 1.850 Quadratmetern, ist reich strukturiert und bewaldet. Damit bietet sie den Tieren viele Rückzugs- und Versteckmöglichkeiten.

Während der Aufzucht bekamen die Luchse in Nürnberg Rehe als Futter, die natürliche Hauptbeute. So kommt es nicht zu einer Fehlprägung der Jungtiere auf andere Beutetiere und die Luchse sind möglichst gut auf das Leben in der Natur vorbereitet. Die Rehe stammten vom Forstbetrieb Nürnberg der Bayerischen Staatsforsten. Sie wurden im Rahmen der regulären, nachhaltigen Jagdausübung im Nürnberger Reichswald erlegt und dienten so als hochwertiges Futter.

Mit GPS-Sendern ausgestattet
Die beiden heute ausgewilderten Luchse wurden mit GPS-Halsbänder ausgestattet, um ihr Verhalten nach der Auswilderung zu überwachen. „Ein professionelles Monitoring ist bei Auswilderungsprojekten enorm wichtig. So lassen sich die ausgewilderten Tiere – auch ohne sie zu stören – überwachen und wertvolle Erkenntnisse gewinnen, die für zukünftige Auswilderungsprojekte wichtig sein können“, so Beckmann weiter.

Im südlichen Thüringer Wald wurde kürzlich auch eine Luchsin mit Jungtieren von einer Wildkamera aufgenommen. Der unerwartete Luchsnachwuchs ist die erste nachgewiesene Luchs-Reproduktion im Thüringer Wald seit über 150 Jahren und eine freudige Überraschung für das gesamte Projektteam. Gemeinsam mit ihren ausgewilderten Artgenossen können die jungen Luchse einen Grundstein für ein langfristig stabiles Luchsvorkommen im Thüringer Wald legen.

Weitere Informationen zum Projekt „Luchs Thüringen – Europas Luchse vernetzen“ gibt es unter www.luchs-thueringen.de.

Ausgestorben und wiederangesiedelt
Wegen seiner weiten Verbreitung, die sich bis nach Nordostasien erstreckt, stuft die Weltnaturschutzunion (IUCN) den Eurasischen Luchs (Lynx lynx) aktuell als global „nicht gefährdet“ ein. Er gilt allerdings in weiten Teilen Europas als ausgestorben und konnte nur lokal wiederangesiedelt werden. In Deutschland und der Schweiz wird der Luchs deshalb auf der nationalen Roten Liste als „stark gefährdet“ beziehungsweise als „vom Aussterben bedroht“ aufgeführt. In Deutschland gab es Ende 2020 laut Bundesamt für Naturschutz wieder rund 190 wildlebende Eurasische Luchse. Das größte Vorkommen liegt im Harz und erstreckt sich bis Nordhessen. Die Population geht auf eine Auswilderung von 24 Luchsen aus Zoos und Wildparks Anfang der 2000er-Jahre zurück.

Der Tiergarten engagiert sich auch über die Auswilderungsprojekte hinaus für den Erhalt und Schutz des Karpatenluchses. Er ist Mitglied im beratenden Gremium des EEP, dem sogenannten Species Committee, und Mitglied bei „Linking Lynx“: Das internationale Netzwerk beschäftigt sich mit der Erhaltung, dem Monitoring und dem Management des Karpatenluchses. Ziel ist es, Vorkommen zu stützen, zu gründen und miteinander zu verbinden. Weitere Informationen zu „Linking Lynx“ gibt es unter https://www.linking-lynx.org/de.

Gute Kletterer mit Pinselohren
Der Luchs ist die größte Katze Europas und zählt mit dem Wolf und dem Bären zu den drei großen, landlebenden Beutegreifern der mitteleuropäischen Tierwelt. Luchse leben hauptsächlich in Wäldern und sind dämmerungs- und nachtaktiv. Charakteristisch sind die Haarpinsel an den spitzen Ohren und der kurze Schwanz. Luchse gelten als gute Kletterer.
 



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